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Spielen i s t Lernen!

  • Autorenbild: Roger Jud Eggenberger
    Roger Jud Eggenberger
  • 24. Juni
  • 3 Min. Lesezeit

Spielen ist Lernen – weshalb „Lernspielen“ ein Widerspruch ist


Stell dir ein weites, offenes Meer vor – glitzernd im Morgenlicht, voller Wind und Wellen, voller Möglichkeiten. Auf diesem Meer segeln Kinder mit ihren kleinen Booten. Sie wählen selbst den Kurs, spüren den Wind, folgen der Strömung oder steuern mutig einen fernen Horizont an. Dieses Meer ist das Spiel – jener weite Raum, in dem Kinder forschen, erfinden und gestalten. Hier, wo sie aus Freude am Tun handeln, wo sie ausprobieren, scheitern und neu beginnen, liegt der wahre Schatz des Lernens verborgen.


In unserer Welt der frühen Bildung begegnet uns oft der Begriff „Lernspiel“. Doch ist das nicht ein Etikett, das dem Spiel den Zauber raubt? Spielen ist immer Lernen. Ein Kind, das mit Stöcken Muster legt, mit Wasser experimentiert, Geschichten erfindet oder mit Schnürsenkeln knoten übt, ist wie ein Entdecker in seinem eigenen Universum. Es lernt – nicht weil wir es lehren, sondern weil es neugierig ist, weil es wachsen will, weil das Leben selbst es dazu einlädt.


Instagram-Post der PHSG vom 24.06.2025
Instagram-Post der PHSG vom 24.06.2025

Die Spielformen – ein Blick auf das Tableau des Lernens


Die Übersicht der PHSG unterscheidet Spielformen: freies Spiel, begleitetes Spiel, geführtes Spiel, Regelspiel und das sogenannte Lernspiel.

Das freie Spiel ist wie die weite See: Das Kind wählt Kurs und Ziel. Kein Plan, kein Soll. Und doch geschieht tiefes Lernen, weil das Kind sich selbst entdeckt.

Das begleitete Spiel ist ein gemeinsamer Törn: Das Kind bleibt Steuermann, wir Erwachsene sind sanfte Lotsen, die Horizonte zeigen, aber nicht lenken.

Das geführte Spiel und das Regelspiel gleichen schon eher einer vorgegebenen Route: Regeln und Strukturen bestimmen den Weg. Lernen geschieht, doch oft auf schmalerem Kurs.

Das Lernspiel will ein Ziel erreichen, das von außen gesetzt ist. Es lenkt das Kind in einen Kanal – der weite Ozean schrumpft zur Wasserstrasse des Solls.



Das Kind als Subjekt – nicht als Objekt unserer Erwartungen


Gerald Hüther mahnt uns eindringlich: Kinder dürfen nicht zum Objekt unserer Erwartungen und Bedürfnisse gemacht werden. Wenn wir Spiel funktionalisieren, um Ziele zu erreichen, entziehen wir dem Kind seine Würde als selbst gestaltendes Wesen.


Jesper Juul spricht von Gleichwürdigkeit: Unsere Aufgabe ist es nicht, Kinder zu formen, sondern sie in ihrer Eigenart zu begleiten. Das Spiel ist der Ort, wo diese Beziehung auf Augenhöhe lebendig wird.


Remo Largo erinnert uns: Kinder sind verschieden. Ihr Lernen hat kein Standardmaß. Das freie Spiel ist der fruchtbarste Boden für diese Vielfalt – weil jedes Kind dort in seinem eigenen Rhythmus wachsen darf.



Ein Beispiel: Das Kind, der Knoten und das Leben


Ein Kind sitzt auf einer Treppenstufe. Es spielt mit seinen Schnürsenkeln – sie sind Seile, Schlangen, Werkzeuge im Fantasiespiel. Dann hält es inne, betrachtet die Bänder. Es probiert Knoten, löst sie wieder, wickelt anders. Immer wieder wirft es Blicke auf den Erwachsenen, der still daneben sitzt, seinen eigenen Schuh bindet, ohne zu lehren, ohne zu lenken.


Das Kind schaut, speichert, ahmt nach. Die Schleife gelingt nicht – noch nicht. Aber es bleibt dran. Der Erwachsene bleibt stiller Zeuge. Kein Eingreifen, kein Richtigstellen – nur Vertrauen, Geduld, Vorbild.


Und eines Tages, fast unbemerkt, gelingt die Schleife. Nicht weil jemand sie beigebracht hat, sondern weil das Kind sie sich erobert hat.



Der Dünger für das kindliche Gehirn


Genau in solchen Momenten geschieht, was Gerald Hüther so wunderbar beschreibt: Im Gehirn des Kindes wird ein Cocktail an „Düngern“ ausgeschüttet – Neurotransmitter und Hormone wie Dopamin, Oxytocin, Endorphine. Sie stärken die Verschaltung der Nervenzellen, nähren die Lernfreude, festigen das Erlebte. Dieses Glück des selbst entdeckten Könnens wird zum Motor für weiteres Wachsen.


Das Kind erlebt: Ich kann das. Ich bin fähig. Diese Erfahrung prägt tiefer als jedes von außen vermittelte Wissen. Es ist Lernen mit Herz und Hirn, mit Hand und Seele – Lernen, das bleibt.



Der Rückbezug zum „Lernspiel“


Das Kind ist immer Lern-Spielender, wenn es frei spielen darf. Ein sogenanntes „Lernspiel“ hingegen – das Spiel mit festem Lernziel und äußerer Steuerung – raubt dem Kind oft den Zauber des Entdeckens und den Dünger des selbst initiierten Lernens. Der Unterschied liegt nicht im Kind, sondern in unserer Haltung: Lassen wir Raum für Eigenes, oder füllen wir den Raum mit unseren Erwartungen?



Einladung zum Perspektivwechsel


Das freie Spiel ist der Ozean, auf dem Kinder segeln. Wir Erwachsenen sind die Küste, die Schutz bietet – nicht der Kapitän, der den Kurs bestimmt.


Bewahren wir diesen Ozean. Vertrauen wir dem inneren Kompass der Kinder. So schenken wir ihnen den Raum, ihr Potenzial zu entfalten – mit Freude, Würde und innerer Stärke.



Haltung der Akademie entwicklung & entfaltung.


Bei der Akademie e&e begleiten wir Kinder, Eltern und Fachpersonen darin, diesen Ozean des freien Spiels zu bewahren – und den Mut zu entwickeln, Vertrauen vor Steuerung zu stellen. Für eine Kindheit voller Freude, Würde und innerer Stärke.

 
 
 

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